"Versöhnung ist nicht nur die Kraft, die Menschen zueinander führt, sondern auch die Kraft, die einen Menschen zu sich bringt."
Walter Kohl
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Rupert-ganz langsam erwachsen |
Wir frieren gerade sehr, vor allem Edgar und Rupert. Aber wir schreiten geradlinig auf den Frühling zu. Mit dem Frühling kommt nicht nur die Sonne zurück, die Wärme, das Grün und die Blumen, sondern wird es auch am 16.3.2012 zwei Jahre her sein, dass wir unseren Igor verloren haben.
Warum kommt mir dieser Gedanke, dieses Thema gerade jetzt in den Sinn? Ich möchte Sie gern daran teilhaben lassen.
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Rupert in Pose |
Die Menschen, die mich kennen, wissen, dass die Erlebnisse um den 16. März 2010 herum ganz tief in mir festsitzen. Das hat nicht zur Folge, dass ich regelmäßig um den Tod von Igor weine. Nein, die Zeiten sind vorbei und Gras ist über den Verlust gewachsen.
Aber das, was an diesen Tagen gefühlsmäßig bei mir abgegangen ist, war so heftig, dass es sich ganz tief in die Seele eingebrannt hat.
Erleben darf ich das regelmäßig immer dann, wenn ich mit Olivia und Victor unterwegs bin. Victor ist ein kleiner "Wegläufer" und Olivia hatte so ihre Sorgen. Inzwischen jedoch hat sie diese Sorgen, zumindest teilweise, abgelegt und aus meiner Sicht solche Situationen sehr gut im Griff, sie legt eine gewisse Gelassenheit an den Tag. Und das geht auch nicht anders, wenn man einen Whippet hat, finde ich. Lebt man mit Whippets und möchte man ihnen den Freigang ermöglichen, muss man beim Spaziergang eben unbedingt Augen und Ohren offen halten. Aber so sehr man sich auch bemüht, gibt es halt Hunde, die dann doch immer wieder mal "stiften gehen". Hier gibt es natürlich erzieherische Maßnahmen, die Abrufbarkeit will ich hier erwähnen, aber um diese Maßnahmen soll es hier nicht gehen.
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Die Sonne genießen.... |
Worüber ich reden will, ist der Umgang mit der Situation, wenn der Hund "wegläuft". Olivia reagiert inzwischen gelassen und ich habe den Eindruck, dass Victor sogar weiß und spürt, dass Olivia ihm vertraut. Sie gibt ihm das Gefühl, dass er nach seiner Runde durchs Unterholz ganz gewiss wieder zu ihr zurück kehren wird.
Was geht aber bei mir in solchen Situationen ab?
Etwas in mir drin kippt einen Schalter und ich bin aufgeregt, kriege Schweißausbrüche, habe Angst, benutze die Pfeife, vor allem aber laufen die vielen furchtbaren Bilder von einst vor meinem geistigen Auge ab und ich sehe mich laufen: hin und her und her und hin, immer wieder die gleichen Strecken, bis zum Erbrechen.....ich höre mich rufen, Stunde um Stunde, während ich friere und mich sorge. Ich sehe die besorgten Gesichter der Menschen, die damals halfen, mitliefen, mitriefen und mitfroren vor mir, ich sehe und fühle die Tränen und ich spüre auch in dem Moment die Ohnmacht nach. Und ich denke an die Nacht OHNE HUNDE: Igor war tot und Edgar war weg.
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Ein sehr seltenes Bild |
Betrachtet man diese, meine Reaktionskette, die da in Bewegung gesetzt wird, stellt mit Sicherheit jeder fest, dass sie in keinem Verhältnis zu Geschehnissen im Hier und Jetzt steht.
Ich kann die Prozesse in dem Moment nicht steuern und mir geht es erst wieder gut, wenn Victor zurück gekehrt ist.
Schon lange ist mir klar, dass ich das so nicht mehr will.
Genauso ist es mit dem Ort Arkenberge. Fast zwei Jahre lange haben wir den Ort gemieden. Es wäre uns nicht in den Sinn gekommen, an diesen Ort zurückzukehren und alles in uns hat sich gewehrt.
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Im siebten Himmel... |
Nicht zuletzt gab es starke Enttäuschungen auf menschlicher Ebene im Rahmen der Geschichte um den Tod Igors und das Verschwinden Edgars. Das will ich hier nicht ausbreiten, die meisten wissen oder werden erschließen, was ich damit meine. Auch wissen sie, dass ich niemandem jemals einen Vorwurf gemacht habe, denn wir sind alle Menschen und haben unsere Grenzen.
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Er weiß, dass ich gerade schwärme! |
Lange schiebe ich es vor mir her und habe es immer und immer wieder im Kopf: Ich muss und ich möchte mich versöhnen.
Ich möchte mich mit DEM IN MIR versöhnen, ich möchte mich mit dem Ort versöhnen, denn er kann nichts dafür und vor allem möchte und muss ich mich mit dem Menschen versöhnen, um den es hier geht. Wenn ich das geschafft habe, wird es mir besser gehen.
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Edgars Leidenschaft: schmusen! |
Man stelle sich folgendes vor. Letzten Sonntag, es war bitterbitterkalt, wollten Gordon und ich eine kleine Runde mit den Hunden drehen. Gordon hatte eine Idee, aber noch bevor er sie ausgesprochen hatte....
LASS UNS DOCH MAL NACH ARKENB... rief ich
NEEEEEIIIIINNNN! VERGISS ES!!!!!
Im Auto entschied ich, nachdem es in meinem Kopf gearbeitet hatte, dass wir nach Arkenberge fahren würden, aber von der anderen Seite. (Für diejenigen, die das Gebiet nicht kennen: unweit des offiziellen Parkplatzes zum Auslaufgebiet wurde Igor überfahren, man kann aber auch von der anderen Seite an das Gebiet heranfahren und das taten wir!) So standen wir kurzerhand und ohne große Vorbereitung in Arkenberge. Es war ein schlimmes, zuerst einmal kein schönes Gefühl, ich fühlte mich absolut nicht wohl in meiner Haut und brauchte lange, um mich damit abzufinden, wo ich mich gerade befand.
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Unser Rupatschen |
Wir machten eine schöne Hunderunde. Das sollte es aber noch nicht gewesen sein. Plötzlich sagte Gordon:
schau doch mal, das ist doch ne Whippe dahinten! Es dauerte nicht lange und der Mensch, der sich ganz tief in meine Seele eingebrannt hatte, der zwei Jahre lang in meinem Kopf schwirrte und mich nie ruhig werden ließ, stand vor mir. Wir nahmen uns die Arme und ich erfuhr, dass wir beide just am gleichen Tag nach fast zwei Jahren, unabhängig voneinander, beschlossen hatten, nach Arkenberge zurück zu kehren. Das hat doch nichts mehr mit Zufall zu tun!
Mich hat das bestärkt in dem Wunsch, mich zu versöhnen mit dem Ziel wieder ruhig sein zu können.
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Vielleicht wird es irgendwann die große Liebe? |
Mein Gott, ich hoffe, mir kann noch jemand folgen.
Ich werde gemeinsam mit Gordon am 18. März, was der Sonntag nach dem 16.3. ist, nach Arkenberge fahren. Wir werden uns an den Ort zurück begeben, an welchem wir unseren überfahrenen Hund von der Straße gelesen haben. Ich möchte diesen Teerweg entlang gehen, den ich vor zwei Jahren hundert mal, tausend mal....beschritten bin.
Dann schaffe ich es, mich mit dem Ort zu versöhnen.
Sich zu versöhnen mit Menschen, mit Erlebnissen, Orten, inneren Konflikten ist eine gute Grundlage, um die negativen Zuschreibungen zu vergessen, umzudeuten, anders, neu - eben positiv - zu erleben.
Ich wünsche mir, dass mir das gelingt.
Noch einen anderen Wunsch habe ich. Den Menschen, um den es mir hier geht, sollte an dem Tag an meiner Seite sein, damit wir die Möglichkeit haben, das zusammen zu durchleben und neu anzufangen.
Nur so habe ich die Chance, wieder ganz bei mir sein zu können.
Ich hoffe, dass mein Wunsch in Erfüllung geht!