Freitag, 3. Februar 2012

Versöhnung

"Versöhnung ist nicht nur die Kraft, die Menschen zueinander führt, sondern auch die Kraft, die einen Menschen zu sich bringt." Walter Kohl

Rupert-ganz langsam erwachsen
Wir frieren gerade sehr, vor allem Edgar und Rupert. Aber wir schreiten geradlinig auf den Frühling zu. Mit dem Frühling kommt nicht nur die Sonne zurück, die Wärme, das Grün und die Blumen, sondern wird es auch am 16.3.2012 zwei Jahre her sein, dass wir unseren Igor verloren haben.

Warum kommt mir dieser Gedanke, dieses Thema gerade jetzt in den Sinn? Ich möchte Sie gern daran teilhaben lassen.
Rupert in Pose
Die Menschen, die mich kennen, wissen, dass die Erlebnisse um den 16. März 2010 herum ganz tief in mir festsitzen. Das hat nicht zur Folge, dass ich regelmäßig um den Tod von Igor weine. Nein, die Zeiten sind vorbei und Gras ist über den Verlust gewachsen.
Aber das, was an diesen Tagen gefühlsmäßig bei mir abgegangen ist, war so heftig, dass es sich ganz tief in die Seele eingebrannt hat.
Erleben darf ich das regelmäßig immer dann, wenn ich mit Olivia und Victor unterwegs bin. Victor ist ein kleiner "Wegläufer" und Olivia hatte so ihre Sorgen. Inzwischen jedoch hat sie diese Sorgen, zumindest teilweise, abgelegt und aus meiner Sicht solche Situationen sehr gut im Griff, sie legt eine gewisse Gelassenheit an den Tag. Und das geht auch nicht anders, wenn man einen Whippet hat, finde ich. Lebt man mit Whippets und möchte man ihnen den Freigang ermöglichen, muss man beim Spaziergang eben unbedingt Augen und Ohren offen halten. Aber so sehr man sich auch bemüht, gibt es halt Hunde, die dann doch immer wieder mal "stiften gehen". Hier gibt es natürlich erzieherische Maßnahmen, die Abrufbarkeit will ich hier erwähnen, aber um diese Maßnahmen soll es hier nicht gehen.
Die Sonne genießen....
Worüber ich reden will, ist der Umgang mit der Situation, wenn der Hund "wegläuft". Olivia reagiert inzwischen gelassen und ich habe den Eindruck, dass Victor sogar weiß und spürt, dass Olivia ihm vertraut. Sie gibt ihm das Gefühl, dass er nach seiner Runde durchs Unterholz ganz gewiss wieder zu ihr zurück kehren wird.
Was geht aber bei mir in solchen Situationen ab? Etwas in mir drin kippt einen Schalter und ich bin aufgeregt, kriege Schweißausbrüche, habe Angst, benutze die Pfeife, vor allem aber laufen die vielen furchtbaren Bilder von einst vor meinem geistigen Auge ab und ich sehe mich laufen: hin und her und her und hin, immer wieder die gleichen Strecken, bis zum Erbrechen.....ich höre mich rufen, Stunde um Stunde, während ich friere und mich sorge. Ich sehe die besorgten Gesichter der Menschen, die damals halfen, mitliefen, mitriefen und mitfroren vor mir, ich sehe und fühle die Tränen und ich spüre auch in dem Moment die Ohnmacht nach. Und ich denke an die Nacht OHNE HUNDE: Igor war tot und Edgar war weg.
Ein sehr seltenes Bild
Betrachtet man diese, meine Reaktionskette, die da in Bewegung gesetzt wird, stellt mit Sicherheit jeder fest, dass sie in keinem Verhältnis zu Geschehnissen im Hier und Jetzt steht.
Ich kann die Prozesse in dem Moment nicht steuern und mir geht es erst wieder gut, wenn Victor zurück gekehrt ist.
Schon lange ist mir klar, dass ich das so nicht mehr will.
Genauso ist es mit dem Ort Arkenberge. Fast zwei Jahre lange haben wir den Ort gemieden. Es wäre uns nicht in den Sinn gekommen, an diesen Ort zurückzukehren und alles in uns hat sich gewehrt.
Im siebten Himmel...
Nicht zuletzt gab es starke Enttäuschungen auf menschlicher Ebene im Rahmen der Geschichte um den Tod Igors und das Verschwinden Edgars. Das will ich hier nicht ausbreiten, die meisten wissen oder werden erschließen, was ich damit meine. Auch wissen sie, dass ich niemandem jemals einen Vorwurf gemacht habe, denn wir sind alle Menschen und haben unsere Grenzen.
Er weiß, dass ich gerade schwärme!
Lange schiebe ich es vor mir her und habe es immer und immer wieder im Kopf: Ich muss und ich möchte mich versöhnen.
Ich möchte mich mit DEM IN MIR versöhnen, ich möchte mich mit dem Ort versöhnen, denn er kann nichts dafür und vor allem möchte und muss ich mich mit dem Menschen versöhnen, um den es hier geht. Wenn ich das geschafft habe, wird es mir besser gehen.
Edgars Leidenschaft: schmusen!
Man stelle sich folgendes vor. Letzten Sonntag, es war bitterbitterkalt, wollten Gordon und ich eine kleine Runde mit den Hunden drehen. Gordon hatte eine Idee, aber noch bevor er sie ausgesprochen hatte.... LASS UNS DOCH MAL NACH ARKENB... rief ich NEEEEEIIIIINNNN! VERGISS ES!!!!!
Im Auto entschied ich, nachdem es in meinem Kopf gearbeitet hatte, dass wir nach Arkenberge fahren würden, aber von der anderen Seite. (Für diejenigen, die das Gebiet nicht kennen: unweit des offiziellen Parkplatzes zum Auslaufgebiet wurde Igor überfahren, man kann aber auch von der anderen Seite an das Gebiet heranfahren und das taten wir!) So standen wir kurzerhand und ohne große Vorbereitung in Arkenberge. Es war ein schlimmes, zuerst einmal kein schönes Gefühl, ich fühlte mich absolut nicht wohl in meiner Haut und brauchte lange, um mich damit abzufinden, wo ich mich gerade befand.
Unser Rupatschen
Wir machten eine schöne Hunderunde. Das sollte es aber noch nicht gewesen sein. Plötzlich sagte Gordon: schau doch mal, das ist doch ne Whippe dahinten! Es dauerte nicht lange und der Mensch, der sich ganz tief in meine Seele eingebrannt hatte, der zwei Jahre lang in meinem Kopf schwirrte und mich nie ruhig werden ließ, stand vor mir. Wir nahmen uns die Arme und ich erfuhr, dass wir beide just am gleichen Tag nach fast zwei Jahren, unabhängig voneinander, beschlossen hatten, nach Arkenberge zurück zu kehren. Das hat doch nichts mehr mit Zufall zu tun!
Mich hat das bestärkt in dem Wunsch, mich zu versöhnen mit dem Ziel wieder ruhig sein zu können.
Vielleicht wird es irgendwann die große Liebe?
Mein Gott, ich hoffe, mir kann noch jemand folgen.
Ich werde gemeinsam mit Gordon am 18. März, was der Sonntag nach dem 16.3. ist, nach Arkenberge fahren. Wir werden uns an den Ort zurück begeben, an welchem wir unseren überfahrenen Hund von der Straße gelesen haben. Ich möchte diesen Teerweg entlang gehen, den ich vor zwei Jahren hundert mal, tausend mal....beschritten bin.

Dann schaffe ich es, mich mit dem Ort zu versöhnen.
Sich zu versöhnen mit Menschen, mit Erlebnissen, Orten, inneren Konflikten ist eine gute Grundlage, um die negativen Zuschreibungen zu vergessen, umzudeuten, anders, neu - eben positiv - zu erleben.
Ich wünsche mir, dass mir das gelingt.

Noch einen anderen Wunsch habe ich. Den Menschen, um den es mir hier geht, sollte an dem Tag an meiner Seite sein, damit wir die Möglichkeit haben, das zusammen zu durchleben und neu anzufangen.
Nur so habe ich die Chance, wieder ganz bei mir sein zu können.
Ich hoffe, dass mein Wunsch in Erfüllung geht!
 

10 Kommentare:

Andrea hat gesagt…

Ich habe Tränen in den Augen wenn ich das lese! Ich wünsche ganz viel Kraft für die Versöhnung mit Mensch und Landschaft...

Liebe Grüsse
Andrea und die Mädels

Anonym hat gesagt…

Geht mir genau so Andrea ich habe ebend auch rotz und wasser gweint.
Ich wünsche euch ganz viel Kraft dafür aber Gunnar das dauert doch noch länger als so.
Was ihr seht Viktor öfters mit seinem Frauchen wir habe in noch nie geshen ob woll sie ja ganz in der Nehe wohnen.
So seit ganz Lieb gedrückt alle vier und bis zum 18.02 in Langerwisch wenn es bei mir klappt wolgemerkt.
LG Tanja und Macy

Anonym hat gesagt…

ich drücke dir daumen, dass es genauso wird, wie du es dir wünschst und denke, du bist auf dem besten wege dazu! und ja, ich kann dich vollends verstehen. alleine schon der wunsch, sich zu versöhnen, mit sich ins reine zu kommen, ist ein riesen schritt in die richtige richtung.
alles, alles gute,
lg heidi

Whippenblog von Edgar und Igor hat gesagt…

Ihr sollt doch nicht weinen ;-)
Es wird früher oder später alles gut!!
Danke f eure Wünsche.
LG Gunnar

Nina hat gesagt…

So, so schöne Fotos von Rupert, Gunnar! Was für eine wundervolle Stimmung.
Dass Ihr euch alle in Arkenberge zusammengefunden habt ist bestimmt ein Zeichen. Die Zeit ist reif für Versöhnung und Vergebung und Loslassen in Liebe.
Arkenberge ist für mich ein "verfluchter Ort", ein Bermuda-Dreieck für Whippets; habe ich dort sowohl nach Edgar, als auch nach Floppy gesucht. Ich könnte dort nicht spazieren gehen, umso mehr bewundere ich deinen Mut. Trotzdem ist diese Konfrontation der einzig richtige Weg aus der Angst.
Knutsch den samtweichen Edgar und den "genau-wie-Joker"-Rupert von mir :-)
Oma Nina mit Papa Joker, Onkel Jamie und Sorge-dich-nicht-lebe-Didi

AMAZING hat gesagt…

Ach mein lieber Gunnar,
was für eine Geschichte und was für eine Fügung. Vielleicht wirklich ein Zeichen, dass ihr euch an diesem Ort wieder getroffen habt. Mir sitzt dieses Ereignis auch immer noch in den Knochen und obwohl wir so viele wunderschöne gemeinsame Spaziergänge dort hatten, ist Arkenberge für mich immer noch ein Tabu-Ort.
Frieden zu finden mit sich und den mit beteiligten Menschen ist sehr wichtig und ich freue mich für dich, das du einen Weg dahin gefunden hast. So wünsche ich alles Gute und seit lieb gedrückt !
Ilona mit Mellchen

Ingeborg hat gesagt…

Lieber Gunnar!

Du hast so Recht, in mir lebt die ständige Angst, dass Lucky etwas zustoßen könnte...diese Angst macht mich manchmal komplett fertig, aber doch lass ich ihn laufen wo es geht, denn er soll doch ein glücklicher Hund sein und nicht sein Leben an der Leine fristen...

Ich finde Deinen Vorsatz sehr gut, an diesem Tag nach Arkenberg zu fahren. Es wird mehr als schmerzlich sein für Dich, ich bin sicher Du erlebst alles noch einmal...aber danach wirst Du Dich befreit fühlen, da Du abschliessen und Dich mit dem Ort und dem verbunden Schicksalsschlag versöhnen kannst. Ja, auch diese Versöhnung ist wichtig. Ich hoffe und bete, dass es Dir gelingt und Du danach Deinen Frieden finden wirst.

Liebe Grüße
Inge & Lucky

Marianne hat gesagt…

Du sagst es Gunnar, als du schreibst, "Mein Gott, kann mir jemand folgen....";-)

Es ist Euch zugefallen, dass ihr Euch ausgerechnet nach 2 Jahren an diesem Ort treffen solltet. Und schön, dass bei Euch die Last von den Schultern gefallen ist... und nun vertrau doch einfach und laß das Sorgen sein. Durch deine Angst und dein Sorgen kannst du nichts ändern, außer dich zermatern.
Herzliche Grüße auch an Olivia

Anonym hat gesagt…

Es hat mich so sehr berührt... danke, dass Du uns an Deinen Gedanken hast teilhaben lassen. Ich wünsche Euch viel Kraft für den 16. und 18.03. LG Sandra

Dunja hat gesagt…

Ein wunderbarer Beitrag,der mich tief berührt hat, gerade in einer Zeit, die mir immer unversöhnlicher vorkommt. Jedes Wort konnte ich so hautnah nachempfinden, dass es mir eine Gänsehaut verpasste, wenn ich mir vorstellte, in dieser Situation zu sein, in der ihr euch befindet oder befindet habt. Nur ob ich die Kraft gehabt hätte, diesen Ausweg zu finden, weiß ich leider nicht...Ich schreibe daher mit allergrößtem Respekt und Bewunderung und fühle gerade ganz klar, dass es euch gelingt. Denn der erste Schritt zur Versöhnung ist doch das Begehren, sich versöhnen zu wollen.
Am 18.3. bin ich in Gedanken bei euch...

Liebe Grüße
Dunja